Ein wilder Ritt durch die Dove-Elbe:

Die Freiwasser-DM 2016 in Hamburg

Jetzt isse schon in Hamburg, deswegen mach' ich glatt mit! Es geht um DAS Event der Freiwasser-Szene, die Crème de la Crème – oh, Entschuldigung – in Anbetracht des nächsten Fußballspiels der Nationalelf (es ist gerade EM) – lieber keine französischen Floskeln. Also: Die Besten der Besten treffen sich zum Monatswechsel an der Dove Elbe, um ihre Könige und Königinnen zu krönen.


Und da, ja genau da komme ich zwischen die Räder. Wie üblich wird mir bei Wettkämpfen erst vier Tage vorher bewusst, auf was ich mich eingelassen habe – nochmal zum Erinnern – die Anmeldung erfolgte FREIWILLIG. <- das muss vor allen Dingen ICH mir merken.

Ein Blick in das Meldeergebnis, welches Timo mit mitfühlend ganz sachte und vorsichtig zuschob und schon war klar, ich komme in einen gefühlten Schlachthof. Gibt es noch einen Weg, sich zu drücken?! Nicht eine Möglichkeit, keine Erkältung, kein Unfall, kein Absagen, nee, der Wettkampf findet statt und ich stehe Samstag früh pünktlich im strömenden Regen vor der Nummernvergabe.

Da ich nur Wald- und Wiesen-Freiwasserevents kenne, komme ich mir bei der Anmeldung auch ein wenig trottelig vor. Statt einem Zeitchip bekomme ich gleich zwei (einen für jedes Handgelenk) – da es erwartungsgemäß um Zehntelsekunden geht, und man dann beim Anschlag nicht mit der "richtigen" Hand das Brett treffen könnte. Insgeheim denke ich: So schlimm wird's nicht werden, ich habe im Ziel sicher genug Zeit, darüber nachzudenken.

Dann zum nächsten Zelt. Hier werden mein Anzug, meine Finger- und Fußnägel kontrolliert. Oha: Das Freiwasserevents nix für zahme Beckenschwimmer sind, ist mir schon klar. Aber eine Fingernagelkontrolle… hoffentlich lassen die mich leben… Dann zum Anmalen. Ich bekomme meine gottseidank nur zweistellige Nummer auf jeden Arm, jedes Handgelenk und jedes Schulterblatt und werde von Andy gleich als „Nummerngirl" betitelt.

Die ausgegebene Badekappe ist nicht das Wahre. Ich führe dem Schiedsrichter vor, dass sie über meine Haarpracht gestülpt nach etwa 2 Minuten von selbst abfällt. Ob das so sein soll?! Schon schließt Andy Wetten mit Karin ab, wann ich die Kappe in der Dove Elbe verliere. Karin sagt, auf der ersten Runde, Andy tippt auf später...

Kurz vor 10.00 Uhr morgens stehe ich im Vorstartzelt und hüpfe aufgeregt von einem aufs andere Bein. Dann werden wir einzeln auf den Ponton gerufen. Ja, jetzt lacht hier keiner mehr. Ich dachte bis zuletzt, wir springen ins Wasser, aber nönö, es geht direkt von der Schwimmlage mit einer Hand vom Ponton weg. Ich entscheide mich für einen Start aus letzter Reihe, denn wie im Vorstartzelt zu hören war, gab und gibt es am Start reichlich Blessuren abzuholen, und da ich diesmal dem Meldeergebnis nach nicht die besten Zeiten schwimmen kann, können sich gleich andere ihre Ellbogen um die Ohren hauen.

Trotzdem ist ab dem Start bis zur dritten Runde das Gewühl um mich herum extrem groß. Es wird gedrängelt, gekloppt und getreten. Gerade an den Bojen ist es immer fies, allerdings macht mir das nur bedingt etwas aus. Der Schwimmrhythmus bleibt dabei auf der Strecke, ok, dann eben nur mit Kraft.
Dazu kommt ein fieser kalter Gegenwind und ne Menge tüdeliger kleiner Bojen, die man gern mit Schwimmerbadekappen verwechselt.

Die Tonnen sind gut auszumachen, aber das Rennen kostet enorme Kräfte. Bei mir ist nach der zweiten Runde auch irgendwie tote Hose, erst auf der letzten Runde springt mein Diesel wieder an. Dieses Jahr habe ich keine langen Strecken trainiert, und draußen bin ich kaum länger als 1250m geschwommen, was sicher ein Grund ist, weshalb ich mir das Rennen so schlecht aufgeteilt habe.

Nach 3km bin ich mehr als bereit, aus dem Wasser herauszukrabbeln und beleidigt nach Hause zu fahren, frei nach dem Motto: "Ich hab's doch versucht!". Aber dann legt sich mein Unwille und mein Laien-Mentaltraining wirkt, auf der vierten und letzten Runde ergebe ich mich meinem Schicksal und schwimme den S***** zu Ende. Im Ziel noch mal schnell überlegen – welche Hand soll anschlagen *hihi* und dann komme ich gruselig, verstört und abgekämpft aber mit neuer persönlicher Bestzeit (1:23:23) aus dem Wasser.

Karin ist gleich die Erste im Ziel – dann folgen viele sehr freundliche Glückwünsche, für die ich mich an dieser Stelle herzlich bedanke.

Die viel zu kleine Badekappe hielt tatsächlich entgegen aller Erwartungen bis ins Ziel – sie hatte ich verklemmt und diente vortan als Minisegel, welches mir leider nicht zum Vorteil verhalf. Rein stylisch konnte ich das doch durchaus tragen, oder?!


Foto und Bericht von Chrischi


Nachtrag:
Es ist ja kein schönes Gefühl, sich auf den Ergebnislisten irgendwo auf Seite 12ff zu finden, sich mit 80 anderen Schwimmerinnen um 5 von 6 Duschen zu streiten und dann auch noch mit den sommerlich schauerlichen Wetterverhältnissen zu kämpfen. Trotzdem möchte ich diese Teilnahme nicht missen. Und obwohl die deutsche Nationalelf uns abends sehr lange vom Bett ferngehalten hat, ging es am nächsten Tag pünktlich um 7.00 Uhr zum Fisherman-Triathlon nach Heiligenhafen, wo meine Schwimmleistung gleich ganz anderes bewertet wurde.

Hier waren es zwar nur 500m, doch „erste Frau aus dem Wasser” ist ein schöner Titel, der meinem Selbstbewusstsein wieder die Hand gereicht hat. Diesen hübschen Jedermann-Triathlon konnte ich als 9te Frau durchs Ziel bringen, als 2te meiner Altersklasse in strahlendem Sonnenschein. Das war das richtige Trostpflaster.