Wi'– wa' – Wakenitzman?!
"Mal gucken, ob was geht!"

Die Wakenitz ist der Grenzfluss vom Ratzeburger See und fließt nach Lübeck – auf 14km ein Naturidyll und der Augapfel des NABU. Hier zu schwimmen ist außerhalb der Badestellen nur den Teilnehmern des Wakenitzschwimmens gestattet.

Heiß begehrt sind die Startplatz nicht nur wegen der herausfordernden Strecke, sondern auch wegen der tollen Organisation und der Idee, die Teilnehmer alle mit einem eigenen Sicherungskanu zu versorgen. Durch einen Mausklick bucht man quasi einen Ausflug für die ganze Familie. Und so ist es eben auch halb sieben morgens in Rothenhusen, am Start.

Die frühe Anreise sichert gute Parkplätze, das rechtzeitige Kümmern um das Mietboot unnötige Hektik. Viele bekannte Gesichter trifft man schon vor der Wettkampfbesprechung, die Freiwasserwelt ist auf 14km etwas ausgedünnt. Man kennt sich, man respektiert sich und geht freundlich miteinander um. Andreas und ich stellen fest, dass wir die Warnow noch ordentlich in den Knochen haben, mal sehen, was heute noch alles passiert.

Mir graut es vor der immensen Anstrengung. Das wird heute ein ganz schönes Stück Arbeit. Wir sprechen uns gegenseitig Mut zu. Chancen auf die vorderen Plätze sind nicht hoch, denn dort tummeln sich noch viel schnellere Schwimmer, die Wakenitz ist nicht nur für Hobbyschwimmer ein Anreiz.

Aber ne schöne Zeit könnte drin sein.
Wir tüdeln uns an, heute besonders dick mit Sonnencreme und Vaseline präparieren und ab in die kurzen Neoprenanzüge. 5 Minuten einschwimmen, na, eher sich an das Wasser gewöhnen, denn auf 14km muss man sich nicht unbedingt aufwärmen.

Das Wetter klart allmählich auf und jetzt sind nur noch die fiesen Windböen zu bewältigen, die uns das Leben später noch arg schwer machen werden.

Wir zählen 10,9,8…1 und LOS! Es geht gleich flott los. Ich sollte mich zurückhalten und auf keinen Fall ausser Atem kommen. Andreas ist noch dicht hinter mir. Die Kanus warten links und rechts als Spalier und sind angewiesen, erst NACH den Schwimmern loszupaddeln. Und dann erst soll die Hochzeit zwischen Paddler und Schwimmer passieren.

Aber die Hektik kennt keine Gesetze. Diesmal prügeln sich die Kanus untereinander um die besten Plätze. Wir Schwimmer kriegen davon gar nichts mit, ist auch schon genug Stress im Rudel.

Wir versuchen, schnell in unseren Rhythmus zu kommen. Die ersten Kilometer flutschen. Ich schwimmen in einem Pulk, Andreas fast alleine. Irgendwann ab Kilometer 3 erkenne ich mein Boot in meiner Nähe. Mein Onkel und mein Vater geben alles, um sicheres Geleit zu gewährleisten.

Na dann. Einiges ist diese Mal anders. Das Schwimmen im Team ist für mich angenehm, man teilt sich das kraftzehrende Aus-dem-Wasser-Gucken. Und schaut dem Vordermann lieber auf die Füße. Die Kanus können uns nicht helfen, denn der Wind spielt mit ihnen, und sie kommen als Orientierungshilfe nicht nah genug an die Schwimmer heran. Das Paddeln ist heuer ein anspruchsvoller Job und nichts für Gemütliche.

Es geht weiter flott. Da ich meinen Pulk nicht verlieren will, gibt es auch keine Pausen. Unter Wasser kann ich ein ganzes Aquarium entdecken. Fische, Muscheln, Pflanzen, die Sicht ist an den flachen Stellen recht klar. Das Wasser das Beste dieses Jahr. Es ist nicht warm, nicht kalt. Ich will am Ufer auch gar nichts erkennen, keine Zeit wissen, keine Kilometersteine zählen. Meine Kanubesatzung kämpft.

Den ersten Wechsel (Staffelwechsel sind meine einzige Orientierung, wie weit es noch ist) ist schnell erreicht. Kurz darauf donnern die ersten Staffeln auch schon vorbei. Die Staffelkanuten bringen unseren Konvoi ordentlich durcheinander und machen sich keine Freunde. An den Staffelwechseln bietet sich für Zuschauer die Gelegenheit, dem bunten Treiben beizuwohnen. Schaulustige trifft man sonst nur vereinzelt, wenn überhaupt.

Mir geht immer durch den Kopf, wie langsam und zäh das Schwimmen oberhalb der Wasseroberfläche wirkt. Unter Wasser ist ordentlich was los. Und es ist laut. Platschen, Luftblasen, Füße, Paddel, Schnaufen.

Vor dem zweiten Staffelwechsel haben dann einige Boote auch nicht kapiert, dass man bei der Verpflegung der Schwimmer vielleicht ein bisschen außerhalb der Flussmitte hält und nicht mittendrin. Wir Schwimmer erkennen die Kanus erst spät und der Wind sorgt dafür, dass sich die Kanus dann querstellen und wir umständlich drumherum schwimmen müssen. Absolut unnötig. Draußen wird unter den Paddlern geschimpft, im Wasser kämpfen wir mit unserem Rhythmus. Langsam merke ich die Anstrengung, kann aber die Ermüdung wegschieben.

Zweiter Wechsel – schon ein gutes Stück geschafft. Jetzt nur dran bleiben. Zeit müsste passen. Der Fluss wird hier breiter. Seerosenfelder, Schlingpflanzen, die Wakenitz zeigt Zähne. Das hier ist kein Spaziergang. Der NABU hasst uns Wakenitzschwimmer, weil wir die Natur stören. Im Ernst – HIER stört die Natur uns. Krautig ist es hier und die Schlingen der Seerosen sitzen fest. Man fädelt allzu leicht ein.

Dritter Wechsel – jetzt beginnt die Arbeit. Ich will nicht mehr, aber aufgeben?? NIE! Im Aquarium kann man nichts mehr erkennen, die Wakenitz ist hier zu tief. Ein Schatten – ein ziemlich großer Fisch. Kein Wels, eher ein Hecht. Kurz unter mir. Toll! Um die Ecke wartet die nächste Überraschung: Gegenwind. Wie unangenehm!! Wellen von vorn drücken uns, hier lassen die Schwimmer Federn. Schon mit der Anstrengung von 10 km in den Knochen durch die Gegenströmung. Jeder Wasserspritzer wird uns ins Gesicht verblasen, ich verschlucke mich heftig. Ruhe bewahren und weitermachen. Die Kanus trudeln herum, hier fällt es allen schwer, die Linie zu finden. Zwei Kilometer geht das so. Dann ist Ruhe.

Nach diesem Kampf ist die "Todeszone" zwischen den Brücken, die in den Jahren zuvor schon so zermürbend war, ein Klacks. Schon die zweite Brücke. Schon die Bootsstege in Sicht. Man ruft meinen Namen und JA! endlich kann ich die Bojen sehen – nicht mehr weit!! Im Ziel die Glocke, jetzt bin ich auch ein Wakenitzman 2015!

Meine Wunschzeit von unter 4 Stunden habe ich kurz verfehlt: Meine neue Bestzeit ist aber 4:05:23 Stunden, fast eine Viertelstunde weniger!

Jetzt muss ich aber kurz mal was zu essen einwerfen, während ich auf Andreas warte. Der kommt auch mit einer guten Zeit von 4:41:53 Stunden ins Ziel – er hat die Strecke genossen und ist ebenfalls in der Gegenwind-Passage fast stehengeblieben. Das Rennen heute war hart. Wir konnten den Vorteil der Kanus aufgrund des Windes nicht nutzen. Aber es war auch ein schönes Rennen mit vielen Aufgaben.

Am Ende lächelten alle, Schwimmer wie Kanuten und machten sich über das reichhaltige Buffet her. Käsebrötchen, Kuchen, Limo – es schmeckte allen.

Die Siegerehrung ließ nicht lange auf sich warten, wie schon erwartet erreichte ich zwar die Top Ten mit dem 7ten Platz der Frauen, Andreas sogar nur den 26ten Platz der Männer, aber wir sind zufrieden, haben zwei anstrengende Rennen in den Knochen und werden jetzt schön auf der Couch nichts anderes tun als essen und schlafen.

Hier der Veranstaltungslink:
http://wakenitzman.de/wakenitzman_news.php

 

Bericht und Fotos von Chrischi.